Wie erleben Kinder und Jugendliche den Handballsport? Was motiviert sie zur Teilnahme – und was hält sie davon ab? Diesen und weiteren Fragen widmet sich das Projekt "Motiv-Image-Passung im Kinder- und Jugendhandball" (MIPHa) unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan König, das von der Sportwissenschaft an der PH Weingarten über zwei Jahre in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln, dem Deutschen Handballbund und mit Förderung durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft durchgeführt wird. Im Zentrum der Projektgruppe Weingarten, die sich aus Prof. Dr. Stefan König, Dr. Elke Uhl und Frau Braun zusammensetzt, steht dabei die Perspektive der Kinder: ihre Erlebnisse, Meinungen und Wünsche zum Sport und spezifisch zum Handball.
Methodik
Im Rahmen einer explorativen Interviewstudie wurden 32 Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren aus verschiedenen Bezirken des Handballverbands Baden-Württemberg befragt. Die Gruppe setzte sich aus aktuell handballspielenden, ehemals aktiven sowie nicht im Handball engagierten Kindern zusammen. Die leitfadengestützten Interviews wurden vor Ort in Schulen und Turnhallen durchgeführt. Inhaltlich standen Fragen zu allgemeinen Sportmotiven, spezifischen Handballerfahrungen sowie zur Wahrnehmung und dem Image der Sportart im Fokus. Ergänzend kamen Fotokarten als Gesprächsimpuls zum Einsatz. Die Auswertung erfolgte nach den Prinzipien der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz.
Zentrale Ergebnisse
Gründe für (und gegen) Vereinssport allgemein
Die Aussagen der Kinder zu ihrer sportlichen Motivation lassen sich in sechs übergeordnete Bereiche einteilen: soziale, leistungsbezogene, sportartspezifische, körperlich-physische, emotionale und strukturelle Aspekte. Eine zentrale Rolle scheint dabei der soziale Kontext zu spielen:
„Die Gemeinschaft. Also Zusammenhalt sein und gemeinsam. (…) Gemeinsam sich freuen, wenn man gewinnt“ (NMH2, Pos. 44).
Kinder schätzen Freundschaften im Team, das Gefühl von Zugehörigkeit und die Unterstützung durch Trainer*innen. Auch das Erleben von Kompetenz, Fortschritt und gemeinsamen Erfolgen wirkt stark motivierend.
Als hinderlich werden strukturelle Bedingungen wie ungünstige Trainingszeiten oder weite Anfahrten genannt, aber auch negative soziale Erfahrungen wie Streit, Ausgrenzung oder fehlende Anerkennung.
Auffällig ist, dass jüngere Kinder häufiger von leistungsspezifischer Frustration berichten – etwa durch Misserfolg oder wahrgenommenen Leistungsdruck –, während Jugendliche eher physische Belastungen wie Verletzungen oder Überanstrengung betonen.
Motivation zum Handball – begeisternde Aspekte für Kinder
Besonders Hervorgehoben wird das Zusammenspiel aus Teamgeist und persönlichem Fortschritt. Für viele Kinder ist Handball ein Ort der Gemeinschaft:
„Es macht Spaß, man wird besser, lernt neue Kinder kennen – und hat einfach Freude“ (H3, Pos. 109-110).
Kinder beschreiben Handball als abwechslungsreiche, dynamische Sportart, die herausfordert und Erfolgserlebnisse ermöglicht. Der Wunsch, sich zu verbessern, neue Techniken zu erlernen oder langfristig „in die Nationalmannschaft“ zu kommen, ist vielfach präsent.
Auch familiäre Vorbilder oder positive Erstkontakte – oft im schulischen Kontext – spielen eine Rolle für den Einstieg in den Handballsport.
Unterschiede je nach Vorerfahrung
Ein Vergleich zwischen aktuell aktiven, ehemals aktiven und nicht-handballspielenden Kindern zeigt differenzierte Zugänge:
· Aktive Kinder betonen vor allem die Freude an Verbesserung und Wettbewerb.
· Ehemals Aktive erinnern sich insbesondere an das soziale Miteinander.
· Nicht-Spielende nehmen Handball eher als technisch anspruchsvolle, aber zum Teil auch unverständliche oder körperlich herausfordernde Sportart wahr. „Wenn einem nicht gepasst wird, finde ich das meistens nicht cool. (…) Dann steht man nur rum. Und das fühlt sich eher blöd an“ (NH7, Pos. 109-112).
Gründe gegen den Handballsport
Kritik äußern Kinder vor allem in Bezug auf körperliche Belastungen, Leistungsdruck, mangelnde Spielzeit oder unangenehme soziale Dynamiken. Vorwiegend Kinder ohne Vereinsbindung berichten von negativen Schulsporterfahrungen: Harte Würfe, fehlender Anschluss oder Unsicherheit im Umgang mit den Regeln führen zu Frustration und Ablehnung.
Die Rolle der Schule
Die Schule spielt eine ambivalente Rolle: Einerseits ist sie für viele Kinder der Erstkontakt mit Handball – etwa durch AGs oder Aktionstage – und kann Begeisterung wecken. Andererseits berichten viele Kinder von Überforderung, unzureichender Ausrüstung oder einem Mangel an Fairness im Unterricht. „Die Bälle sind nicht gut, die in der Schule sind, finde ich. Und niemand kann es in der Schule“ (H4, Pos. 198).
Image des Handballs
Die Zuschreibungen der Kinder zum Image des Handballs lassen sich in der Formel „Handball ist eine … Sportart“ zusammenfassen. Am häufigsten genannt wurden Begriffe wie „schnell“, „mit Ball“, „kräftig“, „cool“, „teamorientiert“ und „fair“ – aber auch „kompliziert“ oder „gefährlich“.
Einige Kinder zeigen große Begeisterung, identifizieren sich mit Stars der Szene und träumen von einer Profikarriere. Andere haben kaum ein Bild von der Sportart oder verbinden sie mit negativen Erfahrungen.

Fazit
Die ersten Ergebnisse des Projekts MIPHa zeigen: Handball ist für viele Kinder eine begeisternde, gemeinschaftsorientierte Sportart, die Selbstwirksamkeit und Teamgefühl fördert. Gleichzeitig bestehen Hürden – insbesondere durch Leistungsdruck, soziale Unsicherheiten oder schulische Überforderung. Um Kinder langfristig für den Handballsport zu begeistern, braucht es vielfältige, niedrigschwellige Zugänge, eine positive Trainingskultur und Raum für Mitgestaltung. Diese Ergebnisse sollen ab Juni durch eine breit angelegte quantitative Fragebogenstudie validiert werden.
--------------------------------
Autor*innen: Prof. Dr. Stefan König, Dr. Elke Uhl
Fotos: Deutscher Handballbund / Marco Wolf